von Speyer bis Oberwesel
Dienstag 14. April 2015.
Wiederum heisst es für den Schiffsführer und den Lotsen früh Tagwache. Doch schon bald stehen oder sitzen alle im Steuerhaus. Bea und ich nehmen auf unserem gemütlichen Steuerhaussofa Platz und gehen den Tag langsam an, ohne viele Worte. Vor uns drehen die Männer abwechslungsweise am Steuerrad. Sie scherzen, lachen und plaudern. Da soll mal einer sagen, die Frauen seien schwatzhaft. Der jeweilige Steuermann ist jedoch immer konzentriert bei der Sache und Jürgen als Lotse hat sein wachsames Auge überall. Weiter geht es vorbei an vielen Buhnen und Gründen. Wir erreichen Mannheim und Ludwigshafen, es gibt hier weniger bis keine Buhnen mehr. Danach gelangen wir zur Neckar Mündung, wo es Richtung Heidelberg gehen würde. Worms gleitet an uns vorbei. Unterhalb von Mainz beginnt in etwa der Rheingau. Die Landschaft verändert sich, sie wird hügelig. Die ersten Rebberge sind zu erkennen. Die Rieslinge gedeihen hier prächtig. Im Rhein gibt es nun verschiedene Auen (kleine Inseln), Petersaue, Mariannenaue, Königsklingeraue und wie sie alle heissen. Auf der rechten Talseite liegt Rüdesheim, wir bestaunen es bei der Vorbeifahrt. Bei Bingen erreichen wir den Mittelrhein. Am rechten Ufer erkennen wir das Kloster von Bingen, wo einst die berühmte Hildegard von Bingen gelebt und gewirkt hat. Von der Nahe Mündung bei Bingen bis Koblenz beginnt die Bergstrecke. Das Bingener Loch mit seinem Mäuseturm war früher ein gefährliches Fahrwasser. Dieses Jahr ist der Mäuseturm bis zu Unkenntlichkeit eingerüstet. Er wird wohl renoviert. Bei Kaub geht es vorbei an einer mitten im Rhein auf einem Felsenriff erbauten Burg, der Burg Pfalzgrafenstein (14. Jh.). Die Burg diente damals als Rheinzoll. Nach diversen anderen Funktionen beherbergt sie nun ein Museum. Heute bringt eine kleine Fähre die Besucher zur Besichtigung auf die Burg, bei Hochwasser kann diese natürlich nicht fahren.
„Wer heute am Rheinufer steht, kann kaum erahnen, wie beherrschend die Stellung von Kaub in Verbindung mit Pfalzgrafenstein für die Schifffahrt am Rhein war. Das Bacharacher Engtal – von dem Menschen im 15. Jahrhundert respektvoll „wildes Gefähr“ genannt – ist heute ausgebaggert und begradigt. Gefährliche Felsen wurden weggesprengt, die Schiffer können links der Pfalz vorbeiziehen. Doch bis weit ins 20. Jahrhundert war einzig das „Kauber Fahrwasser“ verkehrssicher: Eine 110 Meter schmale Passage auf der rechten Rheinseite zwischen der Inselburg und der Stadt. Selbst Generalfeldmarschall Blücher, der hier in der Silvesternacht 1813 den Rhein Richtung Frankreich überschritt, brauchte die Hilfe ortskundiger Lotsen, um die strudeligen Strömungen des Rheins zu überwinden.“ (Ausschnitt aus der Webseite von Rheinland Pfalz, Generaldirektion kulturelles Erbe)
In Oberwesel kommen wir an unserm heutiges Etappenziel an. Diesmal machen wir ganz normal im Schutzhafen von Oberwesel an der Spundwand die Leinen fest. Das ist fast schon langweilig. Dafür wird es jetzt sehr interessant: wir können dank Jürgens guten Kontakten die Revierzentrale Oberwesel besichtigen. Die Revierzentrale steht etwas erhöht am nördlichen Ende von Oberwesel. Wir werden sehr freundlich empfangen. Von hier oben hält die Revierzentrale Wahrschau über die Fahrt durch das Gebirge. In der sogenannten Bergstrecke ist die Durchfahrt mit Lichtsignalen geregelt.
Situation: Zwischen Oberwesel und St. Goar besteht auf 5 km Länge wegen des tief eingeschnittenen, stark gewundenen und engen Rheintals weder eine ausreichende Sicht noch ein direkte UKW Sprechverbindung von Schiff zu Schiff. Je nach Grösse der beteiligten Fahrzeuge und Verbände muss eine Begegnung in den engen Kurven vermieden werden. Dabei hat wegen der Strömung nur die Bergfahrt die Möglichkeit zu warten. Dazu muss sie aber wissen, ob und welche Schiffe ihr zu Tal entgegenkommen. Damit die Bergfahrt diese Informationen erhält, wird auf dieser Strecke seit 1972 der Schiffsverkehr mit Lichtsignalen geregelt. (Text aus der Broschüre der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest)
In der Zentrale befinden sich verschiedene, grosse Bildschirme. Auf mehreren ist die elektronische Karte der Wasserstrasse durch das Gebirge klar zu erkennen. Auf diesen Karten überwachen die Wahrschauer den Verkehr. Die Schiffe werden mittels Radar und AIS erfasst und in der Karte dargestellt. Wir sehen die Schiffe auf der Karte mit deren Namen und deren Geschwindigkeit. Auf einem anderen Bildschirm zeigt ein anderes System sämtliche Informationen über die Berufschiffe an wie Ladung, Mannschaft und vieles mehr. Wir dürfen über die Schulter kucken und finden die Ria auf einem der Bildschirme, wie sie im Hafen von Oberwesel liegt. Schiffe unter 20m Länge, die teilweise über kein AIS (Automatisches Identifikations- System) verfügen, werden mittels Radar erfasst. Zudem gibt die Zentrale täglich über den nautischen Informationsfunk (NIF) wichtige Informationen wie Wasserstände, Gefahrenzonen, Wetter usw. an die Schiffe weiter. Natürlich können das nur Schiffe mit einem Funkgerät empfangen. Es gäbe noch viel zu berichten, doch ich lasse es dabei bewenden. Wir verabschieden uns von der freundlichen Besatzung der Revierzentrale und haben viel dazu gelernt.
Diesmal lenkt uns der Weg zur Ria durch das Städtchen Oberwesel zurück. Es spricht für sich, dass wir in einer typischen Weinstube halt machen um einen goldenen Riesling, einen Grauburgunder oder ein Mineralwasser zu geniessen.
Bilderbogen
Pegel Mannheim, Km 425.
Gegenüber liegt Ludwigshafen.
Worms - Nibelungenbrücke, Km 443.
Köbi und Bea: gemeinsam mal am Haspel drehen, das macht Spass! Anmerkung: Haspel = Steuerrad.
Wassermühle bei Ginsheim, Km 493. Die Mühle schwimmt im Rhein und ist mit Dalben fixiert. Die Strömung treibt das Wasserrad an.
Bei Km 496.7 mündet der Main in den Rhein. Wenn wir hier rechts in den Main einfahren würden, könnten wir nach Wien, Budapest und bis zum Schwarzen Meer reisen! Aber das lassen wir jetzt lieber.
Mainz bei Km 498. Unterhalb Mainz beginnt der Rheingau. Der Fluss hat hier relativ wenig Gefälle und es hat zahlreiche Inseln im Fluss, sogenannte Auen.
Bei Km 511 passieren wir Eltville.
Bei Km 518 bestaunen wir am rechten Ufer den alten Hafenkran von Oestrich.
Hier kommt uns ein UFO entgegen oder anders gesagt: wie man Schiffe auch bauen kann…
Im Rheingau sehen wir sanfte Hügel und viel Rebbau hier mit dem imposanten Kloster von Bingen.
Weit oben vom Berg herunter grüsst die Germania vom Niederwaddendenkmal. Dominique gelingt es, aus dem fahrenden Schiff und ohne zu zittern mit dem
Teleobjektiv diese gute Aufnahme zu machen.
Der Rheingau neigt sich dem Ende entgegen und wir nähern uns dem Mittelrhein. Das heisst, wir sind in der Anfahrt zum Gebirge.
Bei Bingen, Km 529 mündet das Flüsschen Nahe in den Rhein. Hier steht der berühmte Mäuseturm, der sich heute schamvoll verhüllt. Dahinter befindet sich das berüchtigte Binger Loch, das früher vielen Schiffern zum Verhängnis wurde. Seit dem in den sechziger Jahren hier ein breites Fahrwasser aus dem Fels gesprengt wurde, können die Schiffe den Mäuseturm problemlos passieren. Da beginnt der Mittelrhein oder, wie es auch genannt wird, das Gebirge. Das ist der nautisch anspruchsvollste und gleichzeitig landschaftlich der schönste Teil des Rheines. Der Schiffsführer hat allerdings wenig Zeit für die Schönheiten dieser Strecke.
Die Burg Rheinstein.
Der grosse und der kleine Felsen von Assmannshausen, Km 532.
Mitten im Rhein (km 546) steht die Burg Pfalzgrafenstein, dahinter Kaub und die Burg Gutenfels.
Die Burg Pfalzgrafenstein ist eine ehemalige Zollstelle, davor sind die gefährlichen Büttensteine.
Jürgen übernimmt das Steuer und fährt gekonnt durch die nicht einfache Einfahrt in den Schutzhafen von Oberwesel ein. Auf einem Poller dieser Grösse kann man auch bequem sitzen.
Jürgen überrascht uns mit einem Besuch in der Revierzentrale Oberwesel, den er mit seinen Beziehungen organisiert hat. Hier wird der schwierigste Teil der Gebirgsstrecke überwacht und der Verkehr geregelt.
Revierzentrale Oberwesel. Auf dem mittleren Bildschirm können sämtliche Informationen über die vorbei fahrenden Schiffe per Mausklick abgerufen werden.
Nach dem Besuch der Revierzentrale unternehmen wir einen Spaziergang durch das schöne Dorf Oberwesel. Jürgen lädt uns zu einer Weinprobe in eines der Restaurants ein.
Ein weiterer, äusserst erlebnisreicher Tag neigt sich dem Ende entgegen und damit schliessen wir auch diesen Bericht.
Reportage: Dominique
Fotos: Bea + Köbi; Jürgen; Dominique + Urs
Bildlegenden + Layout: Urs